Die bis vor kurzem mögliche gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung einer amtsärzlichen Untersuchung dürfte zukünftig nicht mehr zulässig sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 14.3.2019 (BVerwG 2 VR 5.18) entschieden, dass eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens gemäß § 44a VwGO nicht isoliert angreifbar ist. Falls der Beamte der Anordnung nicht folgt, wird die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung im Rahmen des (Eil- oder Klage-)Verfahrens gegen die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung (inzidenter) gerichtlich überprüft.

Überprüfung erst im Rahmen des Hauptsacheverfahrens

Hintergrund ist § 44a Satz 1 VwGO, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. Zweck dieser Vorschrift ist es, die Sachentscheidung nicht durch Rechtsstreitigkeiten über Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren, weshalb auch Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 80, 80a VwGO oder nach § 123 VwGO ausgeschlossen sind.

Dieser Ausschluss isolierten Rechtsschutzes und die Verweisung des Beamten auf die Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen eine etwaige Zurruhesetzungsverfügung des Dienstherrn sei für den Beamten nicht unzumutbar.

Gefahr einer disziplinarischen Ahndung „nur theoretisch“

Zwar verletzt der Beamte seine Dienstpflicht (bei Bundesbeamten aus § 44 Abs. 6 BBG), wenn er einer Untersuchungsanordnung nicht nachkommt. Dies gilt auch dann, wenn sie rechtswidrig ist: Dies schließt eine disziplinarrechtliche Ahndung nicht von vornherein aus, sondern wirkt sich (erst) im Rahmen der Bemessungsentscheidung nach § 13 BDG maßnahmeausschließend oder -mildernd aus.

Im Hinblick auf die mögliche disziplinarische Ahndung hatten viele Obergerichte (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1.10.2012 – 1 B 550/12 sowie OVG Niedersachsen, OVG Saarland, Bayerischer VGH, VGH Baden-Württemberg und OVG Rheinland-Pfalz) eine isolierte Überprüfung zugelassen. Dem erteilt das Bundesverwaltungsgericht eine Absage:

Verweigert der Beamte die Untersuchung, wird der Dienstherr das Zurruhesetzungsverfahren regelmäßig weiter betreiben. Da der Beamte bei rechtsgrundloser Verweigerung der ärztlichen Untersuchung so behandelt werden kann, als sei Dienstunfähigkeit festgestellt, wird er die Zurruhesetzung verfügen. Gegenüber Ruhestandsbeamten seien jedoch nur schwerwiegende Disziplinarmaßnahmen möglich (vgl. § 5 Abs. 2 BDG bzw. § 5 Abs. 2 LDG NRW), die (allein) dafür nicht verhängt werden dürften. Deshalb hat die Nichtbefolgung einer Untersuchungsanordnung im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens für sich allein in der Praxis nur höchst selten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens und ggf. den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme zur Folge (vgl. aber BVerwG, Urteil vom 12.12.2017 – 2 A 3.16, VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.9.2002 – DL 17 S 1/02,  oder Bayerischer VGH, Urteil vom 25.10.2017 – 16a D 15.1110). Somit drohe dem Beamten bei Nichtbefolgung der Untersuchungsanordnung in der Praxis nicht ernsthaft eine Disziplinarmaßnahme. Die Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung würde regelmäßig die Sanktionslosigkeit ihrer Nichtbefolgung zur Folge haben.

Auch Grundrechtseingriff erfordert keinen isolierten Rechtsschutz

Dass eine ärztliche Untersuchung grundrechtsrelevant ist, erfordere ebenfallls keinen isolierten (und vorläufigen) Rechtsschutz gegen die Untersuchungsanordnung. Denn wenn sich der Beamte der angeordneten Untersuchung nicht unterzieht, drohen ihm keine unzumutbaren Nachteile: Erweist sich im Verfahren gegen die Zurruhesetzungsverfügung die Untersuchungsanordnung als rechtswidrig, ist es auch die Zurruhesetzungsverfügung. Wenn sie sich jedoch als rechtmäßig herausstellt, hat der Beamte kein schützenswertes Interesse, dass er ihr nicht; insoweit bedürfte er auch keines isolierten Rechtsschutzes.

Beamter trägt „Prognoserisiko“

Auch „Prognoserisiko“ sei dem Beamten zumutbar: Nimmt er zu Unrecht die Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung an, kann dies als Beweisvereitelung gewertet werden! Die Rechtmäßigkeitsanforderungen an eine Untersuchungsanordnung seien geklärt; das gleichwohl vorhandene Restrisiko sei vom Beamten hinzunehmen.

Dass das Befolgen einer rechtswidrigen Untersuchungsanordnung nicht mehr rückgängig zu machen ist – sowohl hinsichtlich des Grundrechtseingriffs als auch der Verwertbarkeit des Untersuchungsergebnisses – ist für das Bundesverwaltungsgericht „ohne Bedeutung“. Denn der Beamte habe schließlich die Möglichkeit, der Untersuchungsanordnung nicht nachzukommen, ohne dass dies mit unzumutbaren Nachteilen verbunden sei.

Gegen andere Maßnahmen des Dienstherrn kann isolierter Rechtsschutz zulässig sein

Klarstellend hebt das Gericht hervor, dass dies nicht für Maßnahmen gilt, die einer Untersuchungsanordnung nachfolgen oder sie voraussetzen. Als Beispielt wird die Anordnung genannt, sich einer bestimmten ärztlichen Behandlung zu unterziehen, um die Dienstfähigkeit zu sichern oder wiederzuerlangen (z.B. Weisung, sich einer stationären psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen oder Anordnung der Teilnahme an einer einjährigen ambulanten Alkoholentziehungstherapie und monatlicher Blutuntersuchungen). Insoweit ist Rechtsschutz zulässig, ohne dass dem § 44a VwGO entgegensteht.

OVG Nordrhein-Westfalen und andere Oberverwaltungsgerichte folgen dieser Rechtsprechung

Ob man die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts teilt oder nicht: Die Zeiten einer isolierten Überprüfung der Untersuchungsanordnungen dürften der Vergangenheit angehören, denn das OVG Nordrhein-Westfalen hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (Beschluss vom 18.4.2019 – 6 B 1800/18). In dieser Entscheidung heißt es schlicht: „Das gilt schon deshalb, weil der Antrag nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. April [richtig ist: März] 2019 – 2 VR 5.18 -, demzufolge eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit gemäß § 44a VwGO nicht isoliert angreifbar ist, bereits unzulässig ist“.

Und ausdrücklich führt das OVG NRW im Beschluss vom 26.8.2019 (6 A 1026/19) aus:

Der Senat schließt sich zur Wahrung der Rechtseinheit dem Beschluss des Bundes-verwaltungsgerichts vom 14. März 2019 – 2 VR 5.18 – an, wonach eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens gemäß § 44a VwGO nicht isoliert angreifbar, sondern – falls der Beamte der Anordnung nicht folgt – nur im Rahmen des (Eil- oder Klage-)Verfahrens gegen die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung (inzidenter) gerichtlich überprüfbar ist.

Auch andere Obergerichte sind dem Bundesverwaltungsgericht gefolgt (z.B. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24.7.2019 – 2 MB 1/19VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.1.2020 – 4 S 2269/19, VGH München, Beschluss v. 7.6.2019 – 3 CE 19.916)

 

Martin Brilla
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

 

 

Martin Brilla · Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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