Mit Urteil vom 28.09.2022 (Az. 2 A 17.21) hat sich das Bundesverwaltungsgericht zu einigen wichtigen Fragen des Disziplinarrechts geäußert:

Befangenheit eines Ermittlungsführers (Rn. 38 ff.)

„Nach § 3 BDG i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 – 2 B 63.08 – juris Rn. 19; Urteil vom 29. Juli 2010 – 2 A 4.09 – juris Rn. 119) hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wenn von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet wird. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht nicht aus (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2016 – 9 A 4.15 – Buchholz 407.4 § 17a FStrG Nr. 12 Rn. 26; Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand 04/2022, § 21 Rn. 17).“

Mit anderen Worten: Es genügt nicht, wenn der Betroffene die Besorgnis äußert, der Ermittlungsführer sei befangen. Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür genannt werden, die ein Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung rechtfertigen. Ob diese dann durchgreifen, steht auf einem anderen Blatt. Im vorliegenden Verfahren hatte der Beamte die Besorgnis der Befangenheit damit begründet, dass alle ihn entlastenden Aussagen als unglaubhaft eingestuft worden seien. Diesen Einwand wies das Bundesverwaltungsgericht zurück: Der Ermittlungsführer habe seine Würdigung der Zeugenaussagen auf sachliche und nachvollziehbare Gründe gestützt.

Schriftliche Vernehmung von Zeugen im behördlichen Verfahren (Rn. 42 ff.)

Die lediglich schriftliche Vernehmung von Zeugen stellt keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 55 BDG dar. Vielmehr lässt § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDG dies ausdrücklich zu. Deshalb ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn im behördlichen Disziplinarverfahren von der Vernehmung eines Zeugen abgesehen wird; eine Rangordnung der zulässigen Beweismittel gibt es nach ständiger Rechtsprechung nicht.

Problematisch ist allerdings, dass die Glaubhaftigkeit nur schriftlich eingeholter Zeugenaussagen nicht abschließend beurteilt werden kann. Jedenfalls dann, wenn die Glaubwürdigkeit des Zeugen oder die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen zu beurteilen sind, hat sich der Ermittlungsführer von Zeugen grundsätzlich selbst einen unmittelbaren persönlichen Eindruck zu verschaffen. Andernfalls beruht die Beweiswürdigung auf einer unsicheren Tatsachengrundlage, denn dann steht nicht mit hinreichender Sicherheit fest, ob die Angaben des Zeugen der Würdigung tatsächlich zugrunde gelegt werden können.

Allerdings berührt ein solcher Fehler nicht die Handhabung des behördlichen Verfahrens (im Sinne von § 55 BDG), sondern betrifft die Beweiswürdigung. Im Rahmen einer Disziplinarklage hat das Verwaltungsgericht gemäß § 58 Abs. 1 BDG die erforderlichen Beweise selbst zu erheben und auf dieser Grundlage seine Entscheidung zu treffen. Dadurch würde ein solcher Mangel durch die gerichtliche Beweiserhebung jedenfalls „geheilt“.

 

Unsachliche Äußerungen im dienstlichen Zusammenhang, insbesondere mit sexuellem Inhalt (Rn. 99 ff.)

Zu den Grundpflichten des Beamten gehört eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung, um damit die Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums zu gewährleisten. Deshalb müssen sich Beamte anderen Beschäftigten gegenüber korrekt und kollegial verhalten; sie müssen den Betriebsfrieden wahren. Deshalb hat der Beamte unsachliche Äußerungen, die in einem dienstlichen Kontext deplatziert und geeignet sind, das kollegiale Dienstverhältnis der Beschäftigten zu beeinträchtigen, zu unterlassen. „Beleidigungen, Herabsetzungen oder Diffamierungen sind ein innerdienstliches Dienstvergehen.“

„Dies gilt in besonderer Weise für Äußerungen mit einer sexuellen Konnotation, für die im Dienst generell kein Raum ist. Beschäftigte müssen im Dienst und Dienstgebäude vor Bemerkungen mit sexuellem Inhalt sowie vor Zudringlichkeiten anderer Bediensteter sicher sein … Sexuelle Belästigungen (§ 3 Abs. 4, § 24 Nr. 1 AGG), die ebenfalls bereits durch Bemerkungen erfüllt sein können […], sind stets ein Dienstvergehen.“ Anzumerken ist, dass ein Verstoßes gegen § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG nicht erst dann anzunehmen ist, wenn dieser als sexuelle Belästigung im Sinne des AGG einzuordnen ist.

Wichtig:Beamte in Führungsämtern haben ihr Verhalten an der mit dem ihnen verliehenen Amt verbundenen Vorbildfunktion und der Vertrauensstellung als Vorgesetzter auszurichten. Gegenüber den ihnen unterstellten Mitarbeitern sind sie zu einem respektvollen Umgang und zur Achtung der Privat- und Intimsphäre verpflichtet. Sexuelle Belästigungen von Vorgesetzten unter Ausnutzung ihrer überlegenen beruflichen Stellung sind regelmäßig ein schweres Dienstvergehen“.

 

Martin Brilla
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

 

 

Martin Brilla · Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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