Lehrer: Besitz von Kinderpornographie führt in aller Regel zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
Mit Urteilen vom 24.10.2019 (2 C 3.18 und 2 C 4.18) hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass der strafbare Besitz von Kinderpornographie durch Lehrer selbst in geringer Menge in Disziplinarverfahren in aller Regel zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt.
Die zwei Revisionsverfahren betrafen Lehrer im Berliner Landesdienst. Ihnen wurde vorgeworfen, auf privat genutzten Datenträgern kinderpornographische Bild- oder Videodateien besessen zu haben. Beide Beamte wurden rechtskräftig verurteilt, und zwar Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen bzw. durch Strafurteil zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen.
Die auf Entfernung der beiden Beamten aus dem Beamtenverhältnis gerichteten Disziplinarklagen waren erst- und zweitinstanzlich ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hatte angenommen, dass es sich lediglich um Fälle im unteren Bereich der möglichen Begehungsformen handele und die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme daher ausgeschlossen sei. Dabei stellte es auf den abstrakten Strafrahmen, die individuelle Strafzumessung sowie der Anzahl und Inhalt der Bilddateien ab.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die beiden vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Lehrer jeweils aus dem Beamtenverhältnis entfernt:
Zwar werde heute außerhalb des Dienstes auch von Beamten kein besonders vorbildhaftes Sozialverhalten mehr erwartet, so dass außerdienstliche Verfehlungen nur unter besonderen Voraussetzungen zu Disziplinarmaßnahmen des Dienstherrn berechtigen. Straftaten rechtfertigen disziplinarische Maßnahmen aber dann, wenn zwischen den begangenen Straftaten und den mit dem Amt des Beamten verbundenen Pflichten ein Bezug besteht. Dies sei beim außerdienstlichen, also privaten Besitz kinderpornographischer Bild- oder Videodateien bei Lehrern wegen ihrer besonderen Schutz- und Obhutspflichten gegenüber Kindern und Jugendlichen der Fall.
Grundsätzlich lassen Straftaten, für die der Gesetzgeber eine Strafandrohung von bis zu zwei Jahren vorgesehen hat und die einen Bezug zur Amtsstellung des Beamten haben, Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu. Wie dieser Orientierungsrahmen ausgeschöpft wird, muss im Einzelfall anhand der Schwere der von dem Beamten begangenen Verfehlungen und seiner Schuld gewürdigt werden. Diese Bemessungsentscheidung führt beim Besitz von Kinderpornographie durch Lehrer – selbst in geringer Menge – in aller Regel zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Ausschlaggebend dafür ist, dass mit dem Besitz von Kinderpornographie der für das Statusamt des Lehrers erforderliche Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit verloren geht. Dir Aufgabe eines Lehrers – die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen – ist mit besonderen Schutz- und Obhutspflichten verbunden. Auf das im Strafverfahren ausgesprochene Strafmaß kommt es nicht an, da das Strafrecht und das beamtenrechtliche Disziplinarverfahren unterschiedliche Zwecke verfolgen.
Nicht in der Pressemitteilung, sondern nur in den Entscheidungen selbst finden sich zwei weitere wichtige Hinweise:
Der Lehrer muss in seiner Vorbildfunktion die verfassungsrechtlich geschützte Wertordnung glaubhaft vermitteln, so dass der außerdienstliche Besitz kinderpornographischen Materials nicht nur einen mittelbaren Amtsbezug und damit die Disziplinarwürdigkeit entsprechender Verfehlungen begründet. Verstöße berühren bei einem Lehrer in besonderem Maße sein Amt und seine Dienstausübung, und zwar bereits dann, wenn zu befürchten ist, dass er ihretwegen auf Vorbehalte der Eltern der von ihm unterrichteten Kinder stößt und deswegen nicht mehr die Autorität und das Vertrauen der Allgemeinheit genießt. Es genügt die bloße Eignung für einen solchen Vertrauensverlust; er muss nicht konkret eingetreten sein.
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kommt – im Hinblick auf das Schuldprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – nur dann nicht in Betracht, wenn außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls die Annahme des vollständigen Vertrauensverlusts in die Person des Beamten ausnahmsweise widerlegen (BVerwG, a.a.O., Rn. 31).
Martin Brilla
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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