Eine Vertretung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt ist gerade im Disziplinarrecht angezeigt:

Nach Durchführung des behördlichen Disziplinarverfahrens hatte der Dienstherr gegen meinen Mandanten eine Kürzung der Dienstbezüge von 10 Prozent für die Dauer von 36 Monaten angeordnet; ich bitte um Verständnis, dass ich angesichts der sensiblen Thematik keine genaueren Angaben machen kann.

Auf die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 8. April 2019 die Disziplinarverfügung dergestalt abgeändert, dass gegen den Kläger eine Kürzung seiner Dienstbezüge in Höhe von 10 Prozent für die Dauer von 18 Monaten verhängt wird. Mit anderen Worten: Die Dauer der Gehaltskürzung wurde halbiert!

Einige Passagen der Begründung des Urteils sind über den konkreten Fall hinaus interessant:

Längerfristige Suspendierung kann sich mildernd auswirken

„Ebenfalls mildernd wirkt sich aus, dass dem Kläger im Zeitraum vom … bis zum … [fast 13 Monate] auf Grundlage von § 39 Satz 1 BeamtStG die Führung der Dienstgeschäfte verboten war, denn eine längerfristige Suspendierung vom Dienst entfaltet angesichts der hiermit einhergehenden Ungewissheit über die berufliche Zukunft eine nicht unerhebliche Sanktionswirkung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Beamte, welche sich — wie der Kläger — noch am Beginn ihres beruflichen Werdegangs befinden.“

Überlange Verfahrensdauer

„Ob die Dauer des Verfahrens noch angemessen ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und folgender Kriterien zu beurteilen: Die Schwierigkeit des Falls, das Verhalten des Betroffenen und das der zuständigen Behörden und Gerichte sowie die Bedeutung des Rechtsstreits für den Betroffenen. Hierbei ist eine Einzelfallprüfung erforderlich und es ist nicht auf feste Zeitvorgaben oder abstrakte
Orientierungs- bzw. Anhaltswerte — wie etwa den in § 62 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW verankerten Zeitraum von sechs Monaten — abzustellen, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen.
BVerwG, Urteil vom 12. Mai 2016 — 2 WD 16/15 —, juris, Rn. 8; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. März 2017 — 35 K 9370/16.0 —, juris, Rn. 85 m.w.N.

Unter Zugrundelegung der vorbezeichneten Aspekte erscheint die Gesamtdauer des mit der Einleitungsverfügung vom … in Gang gesetzten Disziplinarverfahrens unverhältnismäßig lang. Neben der Überschaubarkeit des dem Disziplinarverfahren zu Grunde liegenden Lebenssachverhalts ist hierbei insbesondere das von Beginn an geständige Verhalten des Klägers zu berücksichtigen, aufgrund dessen
eine zeitaufwendige Beweisaufnahme unterbleiben konnte. Auch der überschaubare Sach- und Rechtsvortrag der Parteien im gerichtlichen Verfahren rechtfertigt — selbst unter Berücksichtigung der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und des während des Klageverfahrens eingetretenen Berichterstatterwechsels — eine Gesamtverfahrensdauer von rund dreieinhalb Jahren nicht. Aufgrund allgemeiner Erfahrungswerte, welche sich mit dem diesbezüglichen Vortrag des Klägers decken, kann davon ausgegangen werden, dass dieser die erhebliche Verfahrensdauer nicht nur als seelisch belastend, sondern überdies in einer Weise als bestrafend empfunden hat,
welche das Sanktionsbedürfnis mindert. Der Sanktionscharakter wird dadurch massiv verstärkt, dass die Verzögerungen im Disziplinarverfahren eine Verlangsamung des beruflichen Aufstiegs des Klägers nach sich ziehen. So bestand bereits mit der Einleitung
des Disziplinarverfahrens ein faktisches Beförderungsverbot, vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1987 — 6 C 32/85 —, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2011 — 6 B 975/11—, juris, Rn. 3, an welches sich nach rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens das Beförderungsverbot gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 LDG NRW anschließt.“

Antrag auf gerichtliche Fristsetzung nicht Voraussetzung für Milderung

„Eine mildernde Berücksichtigung der Außerachtlassung des in § 4 Abs. 1 LDG NRW verankerten Beschleunigungsgebotes hat — anders als der Beklagte meint — auch dann zu erfolgen, wenn der Beamte im behördlichen Disziplinarverfahren davon abgesehen hat, einen Antrag auf gerichtliche Fristsetzung gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW zu stellen. Hierbei steht die Überlegung im Vordergrund, dass das Disziplinarverfahren bereits als solches belastend ist und der von ihm ausgehende andauernde Leidensdruck und die mit ihm verbundenen Nachteile bereits pflichtenmahnende Wirkung haben. Bei Fortbestand des Beamtenverhältnisses kann das durch ein Dienstvergehen ausgelöste Sanktionsbedürfnis gemindert werden oder sogar entfallen, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen wirtschaftlichen und dienstlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2018 — 2 B 1/18 —, juris, Rn. 10; Urteil vom 12. Mai 2016 — 2 WD 16/15 —, juris, Rn. 80 m.w.N.; Beschluss vom 11. Mai 2010 — 2 B 5/10 —, juris, Rn. 3.“

 

Photo: ivanacoi/pixabay

Martin Brilla · Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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