Nach Durchführung des behördlichen Disziplinarverfahrens wurde gegen meinen Mandanten eine Geldbuße in Höhe von 1.050 € verhängt; ich bitte um Verständnis, dass ich angesichts der sensiblen Thematik keine genaueren Angaben machen kann.

Auf die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 6. Juli 2018 die Disziplinarverfügung aufgehoben. Die Disziplinarverfügung sei zwar in formeller Hinsicht ordnungsgemäß ergangen, in materieller Hinsicht jedoch rechtswidrig, denn sie verstößt gegen das in § 3 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW verankerte Bestimmtheitsgebot:

„Im Hinblick auf Inhalt und Reichweite des Gebots der hinreichenden Bestimmtheit von Verwaltungsakten sind die Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts – vorliegend des Disziplinarrechts – zu beachten. Eine Disziplinarverfügung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie in Anknüpfung an die Begehung eines Dienstvergehens eine der von § 34 Abs. 1 LDG NRW umfassten Disziplinarmaßnahmen ausspricht. Dies bedeutet für eine Disziplinarverfügung, dass sie nicht nur die verhängte Disziplinarmaßnahme, sondern darüber hinaus und insbesondere das Dienstvergehen, dessentwegen die Maßnahme verhängt wird, hinreichend zu konkretisieren hat.

Vgl. VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 3. Mai 2010— DL 10 K 210/10 -‚ juris, Rn. 19.

Im Hinblick auf die erforderliche Konkretisierung des dem Beamten zur Last gelegten Dienstvergehens ist § 52 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW heranzuziehen, nach welchem es einer „geordneten Darstellung“ derjenigen Tatsachen bedarf, in denen ein Dienstvergehen gesehen
wird. Zwar betrifft besagte Vorschrift unmittelbar die Anforderungen an die Klageschrift des Dienstherrn bei Erhebung einer Disziplinarklage. Die durch sie festgelegten Bestimmtheitsanforderungen gelten indes in gleicher Weise für Disziplinarverfügungen
i.S.v. § 34 Abs. 1 LDG NRW.

VG Wiesbaden, Urteil vom 17. August 2012 —28 K 833/1 1 .Wl.D -‚ juris, Rn: 37.

Nur auf diese Weise wird zum einen gewährleistet, dass der Beamte sich gegen die erhobenen Vorwürfe im Rahmen eines von ihm angestrengten gerichtlichen Verfahrens sachgerecht verteidigen kann. Zum anderen muss das Disziplinargericht in die Lage versetzt werden, den in bestimmter Hinsicht erhobenen und dem Umfang nach klar abgegrenzten Vorwürfen nachzugehen, ohne seinerseits genötigt zu sein, aus einem allgemeinen Sachverhalt nach seinem eigenen pflichtgemäßen Ermessen und ohne Vorgabe durch einen klar umrissenen Ahndungswillen des Dienstherrn das herauszuschälen, was als Verletzung der Beamtenpflichten in Betracht kommt und Grundlage der Disziplinarverfügung sein könnte. Das Disziplinargericht hat demnach auf Grundlage eines in der Disziplinarverfügung konkret dargestellten Tatvorwurfs zu prüfen, ob die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme rechtens ist, d.h. ob die dem Beamten vorgeworfenen Handlungen von diesem begangen wurden, Dienstvergehen darstellen und ob sie die verhängte Disziplinarmaßnahme rechtfertigen.

Vgl. VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 3. Mai 2010- DL 10 K 210/10-, juris, Rn. 20 f.

Nach der zu § 52 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts tragen Disziplinarklageschriften – und damit auch Disziplinarverfügungen – dem Erfordernis einer „geordneten Darstellung“ der disziplinarrechtlich relevanten
tatsächlichen Umstände dann hinreichend Rechnung, wenn sie die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und unmissverständlich schildern. Dies setzt voraus, dass Ort und Zeit der einzelnen Handlungen möglichst genau .angegeben und die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, wenn bei verständiger Lektüre aus der Klageschrift – bzw. der Disziplinarverfügung – eindeutig hervorgeht, welche konkreten Handlungen dem Beamten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden.

BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2011 – 2 B 59/11 -‚ juris, Rn. 5 m.w.N.

Besagtem Erfordernis genügt der auf Seite 2 der Disziplinarverfügung dargestellte – auch im Rahmen der sich anschließenden Ausführungen nicht näher konkretisierte – Vorwurf, der Kläger habe … nicht.

Im Hinblick auf die Formulierung „…“ ergibt sich die fehlende Bestimmtheit bereits daraus, dass es der Disziplinarverfügung an der Angabe konkreter Daten und damit an jeglicher zeitlicher Konkretisierung fehlt.

Sofern die Disziplinarverfügung daneben ausdrücklich auf den … abstellt, ist sie zwar in zeitlicher Hinsicht hinreichend bestimmt, lässt aber jedwede Ausführungen zum konkreten Geschehensverlauf vermissen, welche sowohl für die Überprüfung und Bewertung des disziplinaren Vorwurfs durch die Disziplinarkammer als auch für die Eröffnung einer Möglichkeit für den Kläger, sich sachgerecht einzulassen, unabdingbar sind.

So lässt sich der Disziplinarverfügung bereits nicht eindeutig entnehmen, in welcher Weise …  Derartig vage Vermutungen können indes nicht Gegenstand einer disziplinargerichtlichen Überprüfung sein.

Abgesehen von der fehlenden Bestimmtheit ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Disziplinarverfügung zudem daraus, dass sich weder aus dieser selbst, noch aus dem Verwaltungsvorgang im Übrigen oder dem prozessualen Vortrag des Beklagten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der – vom Kläger nicht in Abrede gestellte – zeitweise … Aufenthalt außerhalb des Klassenzimmers während der Unterrichtszeit ein disziplinarisch relevantes Dienstvergehen darstellt.

Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begehen Beamtinnen und Beamten ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Im Rahmen der ihn treffenden Dienstpflichten ist der Beamte gehalten, sich mit vollem persönlichem Einsatz
seinem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG), wobei sein Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Dies verlangt von einem Lehrer unter anderem, dass er mit voller Hingabe seine in § 57
Abs. 1 SchulG NRW verankerten Kernpflichten erfüllt. Nach dieser Norm unterrichten, erziehen, beraten, beurteilen, beaufsichtigen und betreuen Lehrerinnen und Lehrer die ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler in eigener Verantwortung im Rahmen der Bildungs-
und Erziehungsziele, der geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, der Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden und der Konferenzbeschlüsse; sie fördern alle Schülerinnen und Schüler umfassend.

Dass der Kläger besagte Verpflichtungen – insbesondere seine Pflicht zur Unterrichtserteilung sowie seine Beaufsichtigungspflicht – durch seinen zeitweisen Aufenthalt im Nebenraum zum Klassenzimmer vernachlässigte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere findet sich weder in der Disziplinarverfügung noch im weiteren Vortrag des Beklagten eine hinreichende Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Einlassungen des Klägers. …

Inwiefern dem Kläger trotz dessen bei Aufenthalt im Nebenraum eine Verletzung seiner Beaufsichtigungspflicht vorzuwerfen
ist, lässt der Beklagte weder in der Disziplinarverfügung selbst noch in seinem weiteren Vortrag erkennen. Die in der disziplinarischen Würdigung auf Seite 14 der Disziplinarverfügung enthaltene Feststellung „Es ist nicht ersichtlich, wie Sie aus diesem Nebenraum
– während die Schüler eine Gruppenarbeit durchführen – diese beaufsichtigt haben wollen und auch für Fragen zur Verfügung gestanden haben wollen.“ offenbart überdies eine unzutreffende Rechtsauffassung des Beklagten. So ist es im Disziplinarverfahren
nicht Aufgabe des Klägers, durch dezidierten Vortrag das Vorliegen einer Verletzung der ihn treffenden dienstlichen Pflichten auszuschließen. Vielmehr obliegt es dem Beklagten als Dienstherrn, unter Auseinandersetzung mit der Behauptung des Klägers, aufgrund der räumlichen Gegebenheiten sei eine hinreichende akustische und optische Überwachung der Schüler auch aus dem Vorbereitungsraum gewährleistet gewesen und er habe auch für die Beantwortung von Fragen jederzeit zur Verfügung gestanden, einen in sich stimmigen – gegebenenfalls beweisbedürftigen – Sachverhalt zu schildern, auf dessen Grundlage das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung zu bejahen ist. Diesem Erfordernis genügt die vorliegende Darstellung vermeintlicher abstrakter Risiken, welche sich offenbar überdies nicht realisiert haben, nicht.

Im Hinblick auf den unter Ziffer III. weiterhin erhobenen Vorwurf, der Kläger habe …,  fehlt es der Disziplinarverfügung ebenfalls an jeglicher zeitlicher, räumlicher sowie inhaltlicher Bestimmtheit, so dass eine disziplinarrechtliche Würdigung nicht vorgenommen werden kann. Abgesehen hiervon ist die Disziplinarverfügung auch insoweit unbestimmt, dass sich aus ihr noch nicht einmal mit hinreichender Deutlichkeit ersehen lässt, ob der Beklagte an besagtem Vorwurf nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmungen noch festhält, also nach wie vor Ahndungswillen aufweist. So stellt der Beklagte auf Seite 11 der Disziplinarverfügung fest: „Dass Sie – wie Sie selbst zugegeben
haben – … , konnte durch Zeugenaussagen nicht bestätigt werden.“. Welche disziplinarische Schlussfolgerung hiermit verbunden ist, bleibt offen.

Schließlich ist die Disziplinarverfügung der … vom .. auch betreffend den disziplinaren Vorwurf …  in materieller Hinsicht rechtswidrig.
Zum einen führt auch insoweit bereits die zeitliche Unbestimmtheit des dem Kläger zur Last gelegten Vorwurfs zur Rechtswidrigkeit der Disziplinarverfügung. So lässt sich aus der Formulierung „vor den Sommerferien des Jahres …“ kein Zeitpunkt entnehmen, zu
welchem der Kläger … jeweils „während oder anstelle des Unterrichtes“ vor Schülern der Klasse … haben soll“.

Die Kosten des Verfahrens (einschließlich des behördlichen Disziplinarverfahrens) wurden dem Land NRW auferlegt.

Martin Brilla · Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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