Neue Entscheidungen des OVG NRW zur amtsärztlichen Untersuchung
Entscheidend für die Zulässigkeit der Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens zur dauernden Dienstunfähigkeit eines Beamten nach Aktenlage ist, ob dem beauftragten Amtsarzt ohne (weitere) Untersuchung des Beamten ausreichende Erkenntnisse zur Erstellung des Gutachtens zur Verfügung stehen.
Voraussetzung ist, dass der Akteninhalt eine hinreichende Grundlage für eine Diagnose mit ausreichender Sicherheit bietet, also ob der beauftragten Amtsärztin auch ohne (weitere) Untersuchung ausreichende Erkenntnisse und Informationen zur Erstellung des Gutachtens zur Verfügung stehen. Im entschiedenen Fall war der Beamte „innerhalb der vergangenen zwei Jahre vor Erlass der Zurruhesetzungsverfügung über 20-mal beim Medizinischen Dienst vorstellig geworden“. Außerdem hatte bereits zwei Jahre zuvor eine amtsärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Dienstfähigkeit stattgefunden; in diesem Rahmen wurden darüber hinaus ein orthopädisches sowie ein psychiatrisches Zusatzgutachten eingeholt. Daneben gab es noch weitere Gründe, weshalb eine (weitere) amtsärztliche Untersuchung entbehrlich war.
Eine derartige Vielzahl von amtsärztlichen Untersuchungen ist natürlich nicht die Regel ist, so dass im Normalfall eine „richtige“ Untersuchung durch die Amtsärztin oder den Amtsarzt und evtl. sogar eine fachärztliche Begutachtung erfolgen muss. Dennoch: Sie ist nicht in jedem Fall zwingend erforderlich, auch nicht im Hinblick auf die Bedeutung, die dem Ergebnis der Beurteilung zukommen kann.
Im Verhältnis von Amtsarzt zum Dienstherrn besteht im Hinblick auf die Ergebnisse amtsärztlicher Untersuchungen über die Dienstfähigkeit von Beamten keine ärztliche Schweigepflicht, weshalb es insoweit keiner Schweigepflichtentbindung bedarf.
Denn der Dienstherr ist Auftraggeber des Gutachtens; er ist von Gesetzes wegen verpflichtet, ein solches Gutachten zur Beurteilung der Dienstfähigkeit einzuholen. In der Regel werden den personalverwaltenden Stellen wegen § 2 Abs. 2 VO-Begutachtung nur die Ergebnisse der Untersuchung und dabei festgestellte Risikofaktoren, die die Dienstfähigkeit beeinträchtigen, aus den Gutachten vorgelegt. Wie detailliert darf und muss dies sein? „Die Darstellung der Ergebnisse muss schlüssig und für die personalverwaltende Stelle aus sich heraus verständlich sein. Auf den in dem Auftrag bezeichneten Untersuchungszweck sowie auf die im Einzelfall dargelegten weiteren besonderen Anforderungen ist einzugehen. Die Darstellung der Ergebnisse in einem Zurruhesetzungsverfahren muss außerdem alle Angaben enthalten, die für die Entscheidung der personalverwaltenden Stelle erforderlich sind. Dazu zählen insbesondere Angaben zur Art, Intensität und Dauer der Erkrankung, zur Möglichkeit einer späteren Wiederherstellung der Dienstfähigkeit, zur gesundheitlichen Eignung für eine andere Verwendung, zur begrenzten Dienstfähigkeit sowie über Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit. Bei uneingeschränkter Dienstfähigkeit reicht es aus, diese zu bescheinigen.“
Noch einmal: Die Vorschriften (§§ 33 Abs. 1 und 34 Abs. 1 LBG NRW bzw. die entsprechenden bundesrechtlichen Normen) sind gesetzlicher Rechtfertigungsgrund für die Weitergabe von Ergebnissen amtsärztlicher Untersuchungen über die Dienstfähigkeit von Beamten, weshalb es keiner Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht bedarf.
Dieser Beschluss enthält eine weitere Klarstellung:
Es steht der Versetzung eines dienstunfähigen Beamten in den Ruhestand nicht entgegen, dass die zu der Dienstunfähigkeit führenden gesundheitlichen Mängel bei der Einstellung bekannt waren.
Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist – ohne Ausnahme – in den Ruhestand zu versetzen, wer dienstunfähig ist; dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht. Ansonsten würde dies zu dem – so das OVG NRW – „ersichtlich untragbaren Ergebnis“ führen, dass der Dienstherr verpflichtet wäre, ohne Rücksicht auf dienstliche Interessen und möglicherweise über Jahrzehnte einen Beamten weiter zu beschäftigen, der den Anforderungen seines Amtes nicht gewachsen ist.
Martin Brilla
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht