§ 26 Abs. 1 Satz 3 des Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) stellt klar, dass nicht in den Ruhestand versetzt wird, wer anderweitig verwendbar ist. Eine entsprechende Regelung für die Bundesbeamten enthält § 44 Abs. 1 Satz 3 Bundesbeamtengesetz (BBG). Wann eine „anderweitige Verwendung“ möglich ist, bestimmt § 26 Abs. 2 BeamtStG bzw. § 44 Abs. 2 BB, nämlich dann, wenn ein anderes Amt, auch einer anderen Laufbahn, übertragen werden kann. Dies geht unter Umständen auch ohne Zustimmung.

Diesen Regelungen lässt sich der Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“ entnehmen. Daraus wiederum ergibt sich die Pflicht des Dienstherrn, nach einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit für den Beamten zu suchen. Diese Suche ist regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken und muss sich auch auf Dienstposten erstrecken, die in absehbarer Zeit (sechs Monate: BVerwG, Urteil vom 19.03.2015 – 2 C 37.13 –, Rn. 18 ff.) neu zu besetzen sind.

Vorsicht: Besteht der Beamte auf einer geographisch eingeengten Suche, kann dies unter Umständen als treuwidriges Verhalten gewertet werden (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04. November 2015 – 6 A 1364/14).

Das Erfordernis eines Laufbahnwechsels steht der Weiterbeschäftigung des Betreffenden nicht grundsätzlich entgegen: „Von einem Laufbahnwechsel kann zwar nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles abgesehen werden, etwa, wenn die hierfür erforderliche Unterweisungszeit in keinem angemessenen Verhältnis zur verbleibenden kurzen Dienstzeit mehr steht (Metzler-Müller u. a., BeamtStG, 2. Auflage 2012, § 26 BeamtStG Anm. 2.2.6 und 3.1). Eine solche Einzelfallprüfung setzt indes voraus, dass der Betreffende als grundsätzlich für einen Laufbahnwechsel in Betracht kommend angesehen wird“ (OVG Lüneburg, Urteil vom 09. März 2021 – 5 LC 174/18).

Nach der derzeitigen Rechtsprechung muss der Dienstherr indes keine organisatorischen oder personellen Änderungen vornehmen, um die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen.

Die Beachtung der Suchpflicht ist wichtig, denn im Klageverfahren ist es Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er die Vorgaben für die Suchpflicht beachtet hat. Ist dies nicht aufklärbar, geht das zu Lasten des Dienstherrn (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 – 2 73/08 -, juris, Rn. 25, 27 ff.; Urteil vom 19. März 2015 – 2 C 37/13 -, juris, Rn. 15 ff.).

  • Wichtig: Von der Suche kann abgesehen werden, wenn sie ihren Zweck nicht erfüllen kann, also wenn der Beamte keinerlei Dienst mehr leisten kann oder erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten zu erwarten sind (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 26. September 2019 – 3 BV 17.2302; BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014 – 2 B 97/13). Solange der Bemate ein sog. „Restleistungsvermögen“ aufweist, bleibt die Suchpflicht bestehen.

Der Dienstherr ist nicht von der Suchpflicht entbunden, wenn er aus der Verweigerung der ärztlichen Untersuchung auf die Dienstunfähigkeit schließt (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 15. März 2021 – 1 A 2521/18  unter Berufung auf BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 – 2 C 68/11 -, NVwZ 2013, 1619, 1622.

Andererseits muss der Weiterbeschäftigungsanspruch des Beamten ggf. auch gegen die Ablehnung der Behörde durchgesetzt werden, falls sich diese aus rechtswidrigen Erwägungen weigert, den Beamten zu übernehmen (OVG Lüneburg, Urteil vom 09. März 2021 – 5 LC 174/18; Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Urteil vom 22. April 2015 – 2 A 182/12).

Zur Suchanfrage hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 19.03.2015 – 2 C 37.13 –, Rn. 18 ff.) folgendes ausgeführt:

„Die Suchanfrage muss eine die noch vorhandene Leistungsfähigkeit des dienstunfähigen Beamten charakterisierende und sachliche Kurzbeschreibung enthalten. Diese Kurzbeschreibung muss den angefragten Behörden die Einschätzung erlauben, ob der Beamte für eine Verwendung in ihrem Verantwortungsbereich in Betracht kommt. Dabei ist zu beachten, dass diese Beschreibung den Anspruch des Beamten auf Personaldatenschutz wahrt (§ 50 BeamtStG, Art. 60a Abs. 2 Satz 3 und Art. 100a BayBG in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1998, GVBl S. 702). Deshalb darf die Kurzbeschreibung keine Mitteilung persönlicher Daten des Beamten enthalten, die nach dem geschilderten Zweck der Suchanfrage nicht erforderlich sind. Regelmäßig genügt es, die konkreten Leistungseinschränkungen mitzuteilen. Eine Offenbarung der Diagnose oder gar von detaillierten Krankheitsbefunden ist für den Zweck der Suchanfrage als Konkretisierung des gesetzlichen Grundsatzes „Weiterverwendung vor Versorgung“ weder erforderlich noch unter datenschutzrechtlichen Aspekten zulässig.“

Die Suche des Dienstherrn muss ernsthaft und mit dem Willen durchgeführt werden, eine anderweitige Verwendung tatsächlich zu finden. Die Suche darf sich insbesondere nicht in einer routinemäßigen Abfrage bei anderen Behörden erschöpfen, in der die betroffene Beamtin bzw. der betroffene Beamte „wenig attraktiv“ geschildert wird und die ersichtlich nur dem Zweck dient, der gesetzlichen Vorgabe vordergründig Genüge zu tun (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 19. Mai 2021 – 12 A 185/18). So geht es nicht:

Der Senat ist vielmehr der Auffassung, dass das Verwaltungsgericht vollumfänglich zutreffend entschieden hat, dass der Beklagte im Falle des Klägers seiner gesetzlichen Suchpflicht bislang nicht hinreichend nachgekommen ist. Es trifft auch nach Einschätzung des Senats zu, dass die (erst) jetzt vollständig vorgelegten Suchanfragen vom 04.12.2014, 24.03.2015 und 15.03.2016 den aufgezeigten Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts nicht entsprechen, weil sie überwiegend negativ formuliert sind und den angefragten Behörden nicht hinreichend erlauben, eine Einschätzung der Verwendung des Klägers im eigenen Verantwortungsbereich zu treffen. Diese Anfragen erfüllen nicht die Kriterien einer ernsthaften und gründlichen Suche, zu der das Beamtenrecht aus Fürsorgegesichtspunkten verpflichtet. Sie weisen vielmehr den Charakter einer lästigen Formalie auf, die halt noch durchgeführt werden muss, bei der aber sowieso nichts herauskommen muss und wird. …

Werden, wie hier geschehen, schwerpunktmäßig vor allem die dauerhaft bestehenden Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet, weiter die im amtsärztlichen Gutachten festgestellten Einschränkungen, schließlich der GdB von 30% und erneut die diesbezüglichen Funktionseinschränkungen in den Vordergrund gestellt, kann nicht von einer ernsthaften und gründlichen Suche ausgegangen werden. Denn kein vernünftiger Behördenleiter würde die Beschäftigung eines solchen, offenbar „durch und durch eingeschränkten“ Beamten auch nur eine Minute lang in Betracht ziehen.
Suchanfragen sollten, wie etwa Bewerbungsschreiben, vor allem positiv formuliert sein und die Qualitäten des Beamten in den Vordergrund stellen. Dazu könnte ausführlicher etwa auf erfolgreich absolvierte Ausbildungen bzw. Prüfungen, auf positive Dienstzeugnisse oder besonderes Engagement in der Behörde oder anderswo hingewiesen werden. Sollte der Beamte dies wünschen, könnte auch ein von ihm formuliertes Bewerbungsschreiben beigefügt werden. Damit den gesetzlichen Vorgaben genüge getan wird, dürfte es regelmäßig sinnvoll sein, den genauen Wortlaut der Suchanfrage dem betroffenen Beamten vorab zur Kenntnis zu geben, damit dieser die Möglichkeit erhält, auf die aus seiner Sicht hervorzuhebenden Stärken hinzuweisen bzw. jedenfalls diesbezüglich Einfluss zu nehmen (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juli 2018 – 4 S 1150/18).

Der Dienstherr kann sich nicht darauf berufen, die Dienstbehörde sei an die ggf. auch unrichtigen Mitteilungen der anderen Verwaltungen gebunden. Der Dienstherr kann sich seiner Suchpflicht nicht zulasten der Beamten mit Verweis auf unzureichende Kommunikation seiner verschiedenen Behörden entziehen. Ihm obliegt es, durch geeignete organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass innerhalb seines Bereiches eine effektive, den Maßgabe des § 26 BeamtStG genügende Suche überhaupt möglich ist und nicht offenkundig unzutreffende Fehlanzeigen erteilt werden (VG Berlin, Beschluss vom 22. Dezember 2017 – 28 L 754.17).

Grundsätzlich besteht keine Mitwirkungspflicht des betroffenen Beamten bei der Suche nach einer geeigneten Weiterverwendungsmöglichkeit: „Die Suchpflicht ist allein dem Dienstherrn übertragen. Mit § 26 BeamtStG bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die Prüfung der Möglichkeit einer Weiterverwendung ausschließlich Aufgabe des Dienstherrn ist. Der Wortlaut der Vorschrift bietet keinen Anhalt für eine Mitwirkungspflicht des betroffenen Beamten bei der Suche nach einer geeigneten Weiterverwendungsmöglichkeit“ (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04. November 2015 – 6 A 1364/14).

Allerdings wird der Beamte nach erfolgreicher Suche mitwirkungspflichtig ist; so muss er etwa an erforderlichen Qualifikationsmaßnahmen teilnehmen (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. November 2017 – 6 A 1608/16).

Bei Schwerbehinderten gelten besondere Anforderungen: „Kann ein schwerbehinderter Beamter die Anforderungen eines nach der Wertigkeit für ihn in Betracht kommenden Dienstpostens gerade aufgrund seiner Behinderung nicht erfüllen …, so folgt aus dem unmittelbar geltenden Benachteiligungsverbot gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, dass die gesundheitliche Eignung nur verneint werden darf, wenn im Einzelfall zwingende Gründe für das Festhalten an den allgemeinen Anforderungen sprechen. Es muss geprüft werden, ob die dienstlichen Bedürfnisse eine entsprechend eingeschränkte dauerhafte Verwendung des Beamten zwingend ausschließen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Arbeitsplatz mit zumutbarem Aufwand behindertengerecht gestaltet werden kann (BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 2 C 46.08 – juris Rn. 31). Der Dienstherr hat dabei in den Blick zu nehmen, ob ein geeigneter Dienstposten – unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers – entweder für ihn freigemacht oder durch organisatorische Änderungen eingerichtet werden kann, ohne dass es die sachgemäße und reibungslose Erfüllung der dienstlichen Aufgaben beeinträchtigt (BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 2 C 73.08 – BVerwGE 133, 297 – juris Rn. 15). Zu prüfen ist, ob die körperliche Eignung ausreicht, um dem Bewerber irgendeine amtsangemessene Beschäftigung zuweisen zu können, die mit den dienstlichen Bedürfnissen in Einklang steht (vgl. BVerwG, U.v. 25.07.2013 – 2 C 12.11 – juris m.w.N.)“ (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 26. September 2019 – 3 BV 17.2302).

Wichtig: Ist die Suche nach einer anderweitigen Verwendung nicht erfolgreich, hat der Dienstherr vor der Versetzung des Beamten in den Ruhestand zu prüfen, ob dem Beamten nach § 26 Abs. 3 BeamtStG unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit übertragen werden kann (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 15. März 2021 – 1 A 2521/18; BVerwG, Beschl. v. 06.03.2012 – 2 A 5/10; OVG Koblenz, Urt. v. 24.08.2020 – 2 A 10143/20).

 

Martin Brilla

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

 

 

Martin Brilla · Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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