Eine – in Anbetracht der erstinstanzlichen Entscheidung offenbar notwendige – Klarstellung zur Frage, wie Beurteilungsbeiträge in einer dienstlichen Beurteilung berücksichtigt werden müssen, hat das OVG NRW (Beschluss vom 31.1.2022 -6 B 1706/21) vorgenommen. Einer der Kernsätze:

Weicht eine dienstliche Beurteilung von in einem Beurteilungsbeitrag enthaltenen Tatsachen oder Wertungen ab, ist dies zu begründen.

Nicht nur nach den im dortigen Verfahren einschlägigen Beurteilungsrichtlinien sind vorliegende Beurteilungsbeiträge zu berücksichtigen. Beurteilungsbeiträge dienen dazu, die Zeiträume und Tätigkeiten zu erfassen, die von Erstbeurteilern bei der Erstellung der Beurteilungen aus eigener Anschauung nicht bewertet werden können. Erfassen Beurteilungszeiträume einen erheblichen Teil des Beurteilungszeitraums, müssen sie grundsätzlich mit einem dem entsprechenden Gewicht in die Beurteilung einfließen. Das schließt es allerdings nicht aus, dass der Beurteiler trotzdem zu einer abweichenden Bewertung gelangt, weil er beispielsweise

  • sich weitere Erkenntnisse über den Beurteilten (für den fraglichen Zeitraum) verschafft,
  • die tatsächliche Entwicklung des Beurteilten besonders gewichtet oder
  • zu einer abweichenden Bewertung gelangt.

Der Beurteiler ist also an die Feststellungen und Bewertungen Dritter in Beurteilungsbeiträgen nicht in dem Sinne gebunden, „dass er sie in seine Beurteilung ‚fortschreibend‘ übernehmen müsste“, und zwar auch dann, wenn der Beurteilungsbeitrag einen großen Teil des Beurteilungszeitraums abdeckt, denn ihm steht ein Beurteilungsspielraum zu.

Allerdings muss er Abweichungen von Tatsachen oder Wertungen des Beurteilungsbeitrags erläutern und dadurch plausibel machen. Dies kann auch nachträglich, also z.B. in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Werturteile gerichtlich nachprüfbar auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruhen und sich an den von Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen Kriterien orientieren.

In dem vom OVG NRW entschiedenen Verfahren fiel die Erstbeurteilung in sieben von acht Merkmalen schlechter aus: in fünf Merkmalen um jeweils einen Punkt und in zwei Merkmalen sogar um jeweils zwei Punkte. Dies wurde nach Auffassung des Beschwerdegerichts nicht nachvollziehbar begründet.

Nicht selten wird in derartigen Fällen damit argumentiert, die Abweichungen seien wegen einer Maßstabsverfehlung gerechtfertigt. Dafür genügt jedoch die Behauptung, der Beamte habe z.B. „ordentliche, nicht jedoch überragende, Leistungen erbracht und bei einem Vergleich mit den anderen Polizeihauptkommissaren in der Vergleichsgruppe habe es unter Berücksichtigung der Quotengrenzen keine Alternative zu der von ihm erstellten Erstbeurteilung gegeben“, nicht. Geht der Beurteiler davon aus, dass die Ersteller der Beurteilungsbeiträge ihrer Bewertung einen falschen – nicht an der Vergleichsgruppe ausgerichteten – Maßstab zugrunde gelegt haben, muss er sicherstellen, dass die bessere Bewertung in diesem Zeitraum nicht etwa doch durch entsprechend gute Leistungen des Beamten gerechtfertigt sind, indem er dies „durch eine entsprechende mündliche oder schriftliche Rückfrage verifiziert“.

 

Martin Brilla
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

 

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Martin Brilla · Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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