Ein Bewerber für den gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes NRW scheiterte zunächst daran, dass auf seiner linken Brust ist ein Löwenkopf mit aufgerissenem Maul in einer Größe von ca. 22 cm x 18 cm tätowiert ist. Zwar hatte er das Testverfahren erfolgreich durchlaufen, doch das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen lehnte seine Einstellung ab. Es bestünden Zweifel an seiner charakterlichen Eignung, denn der Zähne fletschende Löwenkopf wirke angriffslustig und aggressiv auf den Betrachter; er vermittle einen gewaltverherrlichenden Eindruck, der sich nicht mit dem an einen Polizeivollzugsbeamten gestellten Anforderungsprofil vereinbaren lasse.

Sowohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Az. 1 L 1813/19) als auch in zweiter Instanz das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen OVG NRW) haben demgegenüber entschieden, die Tätowierung des Antragstellers könne seiner Einstellung nicht entgegengehalten werden.

Zwar können Tätowierungen berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung wecken, wenn Art und Inhalt auf eine innere Einstellung oder Gesinnung des Bewerbers schließen lassen, die mit den Grundpflichten eines Beamten nicht mehr vereinbar ist. Der Bewerber muss die Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Diese Löwenkopftätowierung lasse jedoch für sich genommen keinen Schluss auf eine in diesem Sinne bedenkliche Einstellung zu. Es handelt sich um eine fein konturierte, realitätsgetreue Abbildung eines männlichen Löwenkopfes in brüllender Manier. Ihr  komme kein in ihrem Deutungsgehalt eindeutiger, die Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Frage stellender Inhalt zu.

Da die Ablehnung einen intensiven Eingriff in die Berufsfreiheit bedeutet, bedürfe es weiterer Anhaltspunkte, um aus der Tätowierung auf eine Eignungszweifel begründende, hier insbesondere gewaltverherrlichende Einstellung seiner Person schließen zu können. Daran fehle es jedoch: Der Antragsteller habe eine gewaltverherrlichende Einstellung dementiert und auf im Zusammenhang mit seiner Trainertätigkeit erworbene soziale Kompetenzen hingewiesen. Der Löwe stehe für ihn für Stärke, Mut und Macht.

OVG NRW, Beschluss 12. Mai 2020 (Az. 6 B 212/20)

Wichtig: Diese Entscheidung gilt nur für das nordrhein-westfälische Landesrecht; in anderen Bundesländern oder bei Bundesbeamten kann dies anders geregelt oder beurteilt werden. So hat der bayerische Gesetzgeber mit der Neufassung des Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG im Jahr 2018 geregelt, dass sich Polizeivollzugsbeamte in dem beim Tragen der (Sommer-)Uniform sichtbaren Körperbereich nicht tätowieren lassen dürfen. Dies verletzt weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht dieser Beamten noch verstößt es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerwG, Urteil vom 14.05.2020 – 2 C 13.19).

 

 

Martin Brilla
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

 

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Martin Brilla · Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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