Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 09. Mai 2019 – 2 C 1.18) betrifft die Frage, ob der Dienstherr anlässlich eines Auswahlverfahrens um Beförderungsstellen eine Anlassbeurteilung erstellen muss, wenn der Beamte seit der letzten Regelbeurteilung während eines erheblichen Zeitraums andere Aufgaben wahrgenommen hat. Das Gericht hat entschieden, dass dies nur dann notwendig ist, wenn diese Aufgaben auf einem Dienstposten wahrgenommen wurden, der ausschließlich einem höherwertigen Status­amt zugeordnet ist.

Und: Selbst wenn ein Aktualisierungsbedarf bei einem Beamten besteht, müssen deswegen nicht auch für alle anderen Mitbewerber, bei denen keine relevante Änderung in der Aufgabenwahrnehmung gegeben ist, Anlassbeurteilungen erstellt werden. Diese Beurteilungen bleiben aktuell, solange sie nicht älter als der Regelbeurteilungszeitraum sind.

Sachverhalt

Die beiden Kläger – Polizeivollzugsbeamte aus Nordrhein-Westfalen – beantragten im Vorfeld einer anstehenden Beförderungsrunde (für Planstellen der Besoldungsgruppe A 10), für sie jeweils eine Anlassbeurteilung zu erstellen. Sie begründeten dies damit, dass sie nach dem Stichtag der letzten Regelbeurteilung nicht mehr im Wach- und Wechseldienst einer Kreispolizeibehörde, sondern beim Landesamt für die Polizeiausbildung als Lehrkräfte in der Aus- und Fortbildung eingesetzt waren. Der Antrag wurde abgelehnt, und beide Kläger in der Beförderungsrunde nicht berücksichtigt, weil sie auf einem Listenplatz lagen, der für eine Beförderung nicht in Betracht kam.

Während das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Urteil vom 20. Oktober 2014 – 1 K 2063/13) die Auswahlentscheidung als rechtmäßig erachtete, hatte sie das Oberverwaltungsgericht NRW (vgl. Urteil vom 01.06.2017 – 6 A 2335/14) beanstandet: Sie beruhe auf einem fehlerhaften Qualifikationsvergleich, weil die für die Kläger erstellten Regelbeurteilungen nicht mehr hinreichend aktuell gewesen seien. Die Kläger hätten mit ihrer Lehrtätigkeit nach dem Beurteilungsstichtag der letzten Regelbeurteilung während eines erheblichen Zeitraums grundlegend andere Aufgaben als bei der Kreispolizeibehörde wahrgenommen. Der Beklagte hätte außerdem aus Gründen der Chancengleichheit für alle Mitbewerber der Kläger neue Beurteilungen erstellen müssen.

Bundesverwaltungsgericht sieht keinen Aktualisierungsbedarf der Regelbeurteilung

Dass für die beiden Kläger im Hinblick auf ihre Lehrtätigkeit keine Anlassbeurteilungen erstellt worden waren, führt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zur Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung. Ein Aktualisierungsbedarf bei dienstlichen Beurteilungen besteht „nur dann, wenn der Beamte über einen längeren Zeitraum Aufgaben auf einem Dienstposten wahrnimmt, der ausschließlich einem höherwertigen Status­amt zugeordnet ist„. Es sei nicht Aufgabe einer dienstlichen Beurteilung, jedwede Veränderung in dem einem Beamten zugewiesenen Tätigkeitsbereich kleinteilig zu erfassen und nachzuzeichnen.

Selbst wenn ein Aktualisierungsbedarf bei einem Beamten besteht, führt dies nicht dazu, dass deswegen auch für alle anderen Mitbewerber, bei denen keine relevante Änderung in der Aufgabenwahrnehmung gegeben ist, Anlassbeurteilungen erstellt werden müssen. Diese Beurteilungen bleiben aktuell, solange sie nicht älter als der Regelbeurteilungszeitraum sind.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung Nr. 36/2019 vom 09.05.2019

Mehr zum Thema können Sie in meinem Artikel „Die Rechtsprechung zur dienstlichen Beurteilung im Beamtenrecht“ im BÖR Report Nr. 4, S. 16 ff. lesen.

 

Martin Brilla
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

 

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Martin Brilla · Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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