Abweichungen von einem Beurteilungsbeitrag müssen nachvollziehbar begründet werden
In einem Konkurrentenstreitverfahren hatte das VG Münster (Az. 5 L 1095/19) die vom übergangenen Bewerber begehrte einstweilige Anordnung erlassen. Der Antragsgegner habe den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt, indem er seiner Auswahlentscheidung eine rechtswidrige Beurteilung des Antragstellers zu Grunde gelegt habe. Die über den Antragsteller erstellte Regelbeurteilung sei rechtswidrig, weil es an der erforderlichen Begründung des Gesamturteils im Hinblick auf den besseren Beurteilungsbeitrag fehle.
Es entspricht gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung, dass diese Abweichung der dienstlichen Beurteilung von dem Beurteilungsbeitrag hätte begründet werden müssen. Danach müssen Beurteilungsbeiträge, die einen erheblichen Teil des Beurteilungszeitraums erfassen, grundsätzlich mit einem dem entsprechenden Gewicht in die Beurteilung einfließen. Das schließt nicht aus, dass der Beurteiler […] sich weitere Erkenntnisse über den Beurteilten für den Zeitraum verschafft, der durch den Beurteilungsbeitrag erfasst wird, dass er die tatsächliche Entwicklung – insbesondere bestimmte Vorkommnisse – außerhalb dieses Zeitraums besonders gewichtet, und auch nicht, dass er zu einer abweichenden Bewertung gelangt. Wie der Antragsgegner zu Recht geltend macht, ist der Beurteiler an die Feststellungen und Bewertungen Dritter nicht gebunden, sondern kann zu abweichenden Erkenntnissen gelangen. Das gilt auch dann, wenn der Beurteilungsbeitrag einen großen Teil des Beurteilungszeitraums abdeckt. Denn im System der Regelbeurteilung können sich Bewertungsunterschiede zwischen einem Beurteilungsbeitrag und der Beurteilung selbst etwa daraus ergeben, dass der Beurteilungsbeitrag außerhalb eines die gesamte Vergleichsgruppe erfassenden Beurteilungsverfahrens erstellt wird und somit- im Gegensatz zu der Beurteilung – nicht auf einem Quervergleich mit den übrigen zur Organisationseinheit gehörenden Beamten desselben Statusamtes beruht. Der Beurteiler übt seinen Beurteilungsspielraum jedoch nur dann rechtmäßig aus, wenn er die Beurteilungsbeiträge in seine Überlegungen einbezieht und Abweichungen von den in den Beurteilungsbeiträgen enthaltenen Tatsachen oder Wertungen nachvollziehbar begründet.
Vgl. nur BVerwG, Urteile vom 1. März 2018 – 2 A 10.17 -, BVerwGE 161, 240 = juris Rn. 33, vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1.16 -, BVerwGE 157, 168 = juris Rn. 36, vom 28. Januar 2016 – 2 A 1.14 -, IÖD 2016, 110 = juris Rn. 23, vom 27. November 2014 – 2 A 10.13 -, BVerwGE 150, 359 = juris Rn. 24, und vom 26. September 2012 – 2 A 2.10 -, DÖD 2013, 88 = juris Rn. 12, 16; OVG S.‑A., Beschluss vom 9. Januar 2020 – 1 M 127/19 -, juris Rn. 18; OVG NRW, etwa Beschlüsse vom 1. Februar 2018- 6 B 1355/17 -, NWVBl. 2018, 287 = juris Rn. 18, und vom 17. Februar 2015 – 6 A 180/14 -, jurisRn. 8 ff, jeweils m. w. N.
Mehr zu diesem Thema können Sie in meinem Artikel „Die Rechtsprechung zur dienstlichen Beurteilung im Beamtenrecht“ im BÖR Report Nr. 4, S. 16 ff. lesen.
Martin Brilla
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht